Urs Ullrich, CEO der Paul Ullrich AG
«Wir sind das Bindeglied zwischen Produzent und Konsument»
Die Wurzeln der Paul Ullrich AG reichen bis ins Jahr 1920 zurück, als Paul Ullrich seine Lehre in einer Weinhandlung begann. Heute steht das Unternehmen für eine grosse Auswahl an Produkten, exzellenten Kundenservice und tiefgreifende Expertise im Bereich Wein und Spirituosen. Als unabhängiger Fachhändler bietet die Paul Ullrich AG schweizweit eine breite Palette erstklassiger Produkte aus aller Welt an, stets gepaart mit der leidenschaftlichen Philosophie: «Passion for Liquids» Johannes Hohloch von DRINKS besuchte den Geschäftsführer Urs Ullrich in der Zentrale der Paul Ullrich AG in Münchenstein bei Basel.
Herr Ullrich, wie haben Sie Ihren Weg in die Branche der Spirituosen gefunden?
Mein Weg in die Spirituosenbranche führte mich sicherlich über den ein oder anderen Umweg in unterschiedlichen Unternehmen und Feldern in das Familienunternehmen. Zuerst habe ich Wirtschaft studiert und dann bei einer Marketingagentur in Zürich angefangen. Damals haben wir mit tollen Kunden wie z. B. Rolf Benz oder EC-Direkt zusammengearbeitet. Mein nächster Schritt führte mich dann auch in die Finanzbranche zu einer Anlageberatung in Genf, auch mit dem Ziel, mein Französisch zu verbessern. Im Januar 1991 erreichte mich schliesslich ein Anruf über das Ableben meines Grossvaters. Sowohl mein Vater als auch mein Onkel wollten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in das operative Geschäft des Familienunternehmens einsteigen, und daher fragten sie mich, ob ich nicht Lust hätte, als Geschäftsführer in das Unternehmen einzusteigen.
Auf welche Erfolge als CEO bei Paul Ullrich sind Sie besonders stolz?
Eine grosse Herausforderung war sicherlich die Anfangszeit. In den ersten 2-3 Jahren waren wir sehr viel mit Aufräumen beschäftigt sowie mit der Neuausrichtung des Unternehmens. Damals hatte die Paul Ullrich AG drei Filialen und neun Mitarbeiter. Heute stehen wir bei neun Filialen und 130 Mitarbeitern und sind der Generalimporteur von zahlreichen Spirituosenmarken in der Schweiz.
Das Unternehmen hat als Weinhandlung angefangen. Welchen Stellenwert haben die Spirituosen inzwischen am Gesamtportfolio von Paul Ullrich?
Besonders stolz sind wir nach wie vor auf unser Weinportfolio. Seit 2018 führen wir das komplette Sortiment von Gomes Weine aus Portugal und überhaupt liegt uns das Weinland Portugal sehr am Herzen. Wir bieten eines der grössten Weinangebote aus Portugal. Dazu kommt noch das AFG-Sortiment mit unseren Erfrischungsgetränken. Hier sind wir der Generalimporteur von Fever-Tree, einem der «Top-Trending»-Mixer, und können mit den Produkten grosse Erfolge in der Schweiz vorweisen. Mit der Übernahme von Drinks of the World im vergangenen Jahr bieten wir nun auch ein breites Bier-Portfolio an. Insgesamt verteilt sich unser Sortiment also auf diese vier Kernbereiche. Die Spirituosen nehmen aber schon einen sehr wichtigen Anteil an und liegen im Vergleich zum Wein ungefähr gleichauf.
Ihr Motto lautet: «Mit Passion zum LIQUID LEADER.» Was verstehen Sie darunter und wie wollen Sie dieses ehrgeizige Ziel erreichen?
Unser Ziel ist es, eine gute Diversifikation zu schaffen. In der Gesamtheit haben wir bemerkt, dass unser Sortiment etwas zu kleinteilig aufgestellt ist. Daher streben wir danach, das Gesamtangebot, um ca. 30% zu reduzieren, dabei jedoch nicht auf bestimmte Produktgruppen zu verzichten. Wir begeben uns dabei immer auch auf die Suche nach neuen Produkten. Innerhalb unseres Teams habe ich den Ruf, ein «Trüffelhund» zu sein (lacht). Aber es war schon so, dass wir früh Monkey 47, Sipsmith Gin oder Del Professore Aperitivo entdeckt und umfangreich in der Schweiz verfügbar gemacht haben.
Paul Ullrich ist ein Familienunternehmen. Welchen Stellenwert hat die Familie im Unternehmen für Sie?
Meine Frau Jacqueline Ullrich und ich sind die Eigentümer der Firma. Wir sind von der Struktur also schon ganz anders ausgerichtet, wie z. B. ein Konzern, der Quartalsberichte abgeben muss. Wir versuchen daher, sehr langfristig zu denken und nachhaltig zu arbeiten. Zusammen haben wir auch drei Kinder, die aktuell in Ausbildung sind. Wir lassen es Ihnen offen, ob Sie eines Tages in das Unternehmen eintreten möchten. Die Grundvoraussetzung ist, eine Firma zu übergeben, die gesund ist. Ich möchte mal die These aufstellen, dass viele Unternehmen, die in der Schweiz übergeben sind, überhaupt nicht übergabefähig sind.
Wie sieht Ihre Mitarbeiterphilosophie aus?
Wir haben bestimmte Werte in unserer Firma, die wir offen kommunizieren. Dazu gehören u.a. Authentizität & Glaubwürdigkeit oder Kompetenz und Qualität. Jeder Team-Leader ist in unserem Unternehmen dazu verpflichtet jeden Monat in einem Meeting mindestens 15 min über diese Werte zu sprechen, um mögliche Unstimmigkeiten im Team zu entdecken.
Welche Projekte im Unternehmen treiben Sie aktuell voran?
Die Integration von künstlicher Intelligenz steht ganz oben auf unserer Liste. Dafür haben wir unser IT-Team auf aktuell fünf Mitarbeiter ausgeweitet. Das Ziel ist, die Prozesse in der Bestellung weiter zu optimieren und möglichst autark zu gestalten. Zudem haben wir bereits eine eigene KI für unsere Prozessoptimierung entwickelt. Für mich ist dabei immer entscheidend, dass man die KI mit hochwertigen Informationen und Inhalten füttert. Nur dann kann innerhalb des Prozesses ein gutes Ergebnis erzielt werden.
Sie haben in Ihrem Portfolio tolle Marken wie Brockmans Gin, Flor de Cana Rum oder Whisky von Kilchoman aus Schottland. Was zeichnet diese Partnerschaften aus und verbinden Sie ein besonderes Erlebnis mit einer dieser Marken?
Es handelt sich in der Regel um lange Partnerschaften. Kilchoman begleitet und jetzt auch schon bald 15 Jahre und die junge Destillerie feiert in diesem Jahr erst ihr 20-jähriges Jubiläum. Ein weiteres Beispiel ist Adelphi aus Schottland: Die kleine Firma wurde 1993 gegründet und gehört heute Keith Falconer und Donald Houston. Das Sortiment haben wir bereits seit 30 Jahren im Angebot. Wir sehen und als Bindeglied zwischen dem Produzenten auf der einen und den Konsumenten auf der anderen Seite und diesen Job nehmen wir sehr ernst, und das Wissen unsere Partner zu schätzen.
Wie sieht die Zukunft der Branche aus? Welche Veränderungen kommen Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren auf uns zu?
Die Spirituosenindustrie verhält sich aktuell ein Stück weit wie die Pharmaindustrie. Die grossen Konzerne schauen, wo erfolgreich gearbeitet wird, und dann wird das Unternehmen gekauft und skaliert, wie z. B. Monkey 47. Wenn ich von der Industrie spreche, dann meine ich Brown-Forman, Diageo oder auch Campari. Teilweise sind diese Vorgänge sehr zu hinterfragen.
Wie haben Sie sich auf den Wandel innerhalb der Spirituosenbranche eingestellt?
Diese Frage stellen wir uns auch. Ich denke, es wird eine weitere Konzentration stattfinden. Produkte, die bereits etabliert sind, laufen gut. Wir sind auch etwas vorsichtiger geworden, was den Aufbau von kleinen Marken angeht. Da wir nicht den ganzen Aufbau leisten wollen, nur um die Marke wenig später an einen grossen Konzern zu verlieren. Daher arbeiten wir nun vorwiegend mit Familienunternehmen zusammen. Mit Blick auf unsere Kunden in der Gastronomie bedeutet die Konzentration, dass es immer schwieriger wird, einfach ein Restaurant zu führen. Was es braucht, ist ein ganzheitliches Konzept und eine exakte Planung. Hier sehen wir eine Tendenz zu urbaner Umgebung, während es für Restaurants auf dem Land zunehmend schwieriger wird.
Was fasziniert Sie persönlich an der Spirituosenbranche?
Es ist immer bewundernswert, wenn ein Produkt durch die Decke geht. Wie aktuell der Likör «Berliner Luft» oder auch der Whisky-Likör «Fireball». Wenn etwas anläuft, dann wird hier eine Palette nach der anderen angeliefert und ausgefahren. Für dieses Jahr freuen wir uns besonders über die neue Partnerschaft zu Giffard. Die hochwertigen Liköre vertreiben wir ab sofort in der Schweiz, und mit der 34-jährigen Emile Giffard hat jüngst die neue Generation das Familienunternehmen übernommen.
Welche Spirituosen trinken Sie denn am liebsten und mit wem?
Der Kaiser der Spirituosen ist für mich der Cognac. Paul Ullrich bietet dabei eines der breitesten Cognac-Sortiment der Schweiz. Die Palette reicht von Jean Fillioux über Ragnaud Sabourin bis hin zu Cognac Frapin. Eines der Erzeugnisse geniesse ich am liebsten mit einem von unseren Walliser Schwarznasenschafen aus dem Oberwallis, die die Wiesen rund um unser Firmengelände bewirtschaften.
Was macht einen guten CEO aus, Herr Ullrich?
Ich denke, man muss zugleich abtauchen, aber auch auftauchen können. Mit Abtauchen meine ich die internen Prozesse im Unternehmen. Hier finde ich es sehr wichtig, den Mitarbeitern Steine aus dem Weg zu räumen, damit sie die gewünschte Performance liefern können. Zugleich kann man als CEO jedoch auch auftauchen, um gegenüber unseren Kunden die Produkte anzubieten und bei unseren Geschäftspartnern präsent zu sein. Dabei muss ich den Markt jederzeit im Blick haben, um zu sehen, was gefragt ist. Jedoch hinterfrage ich mich immer auch selbst: Bin ich noch der Richtige für die Position? Aber aktuell bereitet es mir noch sehr viel Freude. Insgesamt sind wir vier Personen in der Geschäftsführung, es hängt also nicht alles an mir und ich habe die Möglichkeit, mich
gelegentlich zurückzuziehen.
Herr Ullrich, vielen Dank für das Gespräch!