Markus Kramer, Geschäftsführer William Grant & Sons Deutschland
Who ist wichtiger als What

Markus Kramer leitet seit drei Jahren das Deutschlandgeschäft von William Grant & Sons. In dieser Zeit hat er 70 Leute eingestellt, den Umsatz verdoppelt, und neue Kollektionen wie „House of Hazelwood“ in Deutschland eingeführt. DRINKS-Autorin Telse Prahl hat den umtriebigen General Manager in Hamburg zum Gespräch getroffen.
Das Büro von William Grant & Sons Deutschland befindet sich mitten in Winterhude, an der belebten Gertigstraße, neben Restaurants, Bars und kleinen Ladengeschäften. Die Adresse führt in einen Hinterhof, der mir bis dato noch nie aufgefallen ist. In einem ehemaligen Lagerhaus sind auf mehreren Etagen repräsentative Lofts entstanden. Die Räume des Unternehmens mit schottischen Wurzeln kommen hell, modern und weitläufig daher. Es ist kurz vor Weihnachten, nur eine Handvoll Mitarbeiter erledigt die letzten To Dos vor den Feiertagen. Die Stimmung ist entspannt. Auf einer Palette stapeln sich Tullamore D.E.W. Flaschen; im Flur präsentieren sich Glenfiddich und The Balvenie Raritäten in Vitrinen.
Markus Kramer telefoniert im Konferenzraum, wo er mich bereits erwartet. Die Tür steht offen, er bedeutet mir mit einer Geste, dennoch hereinzukommen. „Wir pflegen eine Kultur der offenen Türen“ beschreibt er mir kurz darauf im Interview. „Es gibt hier keine geschlossenen Räume. Bei uns herrscht eine große Offenheit und Kommunikation – das versuche ich jedenfalls zu leben. Dazu gehört auch, immer für meine Mitarbeiter zugänglich zu sein.“
Von der Freiheit der Gestaltung
Das letzte Mal haben wir uns vor drei Jahren unterhalten, als Kramer die deutsche Dependance von William Grant & Sons gerade aufbaute. Damals verglich er seine Situation mit der eines Künstlers, der eine weiße Leinwand bemalen darf. Was für eine Firma er kreiert hat, möchte ich wissen. „Zuerst einmal war das eine Riesenchance“, setzt er an. „Du bekommst einen weißen Hintergrund, keine Begrenzungen, keine Berge, Flüsse oder Stacheldrähte. Und dann hast Du eine Palette an Farben. Ich kann sagen: Das Ergebnis ist sehr bunt geworden.“ Markus Kramer konnte sich aussuchen, welche Marken er in den Fokus stellen, welche Mitarbeiter er einstellen, welche Maßnahmen er ergreifen will. „Von den Schotten gab es einen großen Vertrauensvorschuss, die haben eine hohe Meinung von uns, von den Konsumenten – Deutschland ist der größte Spirituosenmarkt in Europa.“
Inzwischen arbeiten für die deutsche Niederlassung 70 Mitarbeiter
aus zwölf verschiedenen Nationen. Diversity wird hier großgeschrieben. „Und, was ich im Laufe meines Berufsweges gelernt habe: Du brauchst die richtigen Menschen an den richtigen Positionen, dann kannst Du Wunder bewirken.“ Who ist wichtiger als what – so heißt es im Mutterkonzern. Das beinhaltet gleich zwei Prinzipien: Zum einen, die richtigen Leute mit der richtigen Mentalität in der Firma zu haben. Zum anderen dafür zu sorgen, dass diese Menschen auf dem richtigen Job sitzen. „Ich glaube an die Leidenschaft der eigenen Leute – sie können viel mehr für deine Marken bewegen als eine externe Firma, die dich nur als Agency Brand behandelt.“ Davon ist Kramer überzeugt.
Die Erfolgsfaktoren
Mit seinem Team hat er es geschafft, das Geschäft, welches er damals von Campari übernahm, in den letzten drei Jahren zu verdoppeln. Trotz Corona, trotz Ukrainekrieg, trotz hoher Inflation. „Ein sehr gutes Ergebnis“, freut sich Kramer.
Dazu beigetragen hat auch ein verstärktes Marketing. Für die drei Marken Tullamore D.E.W., Glenfiddich und Hendrick‘s etwa laufen derzeit große nationale TV- bzw. Plakatkampagnen. Zudem wurde viel Arbeit in den Bereich E-Commerce investiert – mittlerweile macht der Online-Vertrieb 14 Prozent vom Gesamtgeschäft aus. Auch neue Absatzkanäle wurden definiert, zum Beispiel reichweitenstarke Lebensmittelketten. „Hier haben wir Distributionslücken geschlossen“, erklärt Kramer. „Eine große Marke wie Hendrick‘s sollte auch in einem Rewe zu finden sein. Wir haben gemerkt, dass es da noch an Relevanz fehlt. Denn ob man es glaubt oder nicht – viele wissen noch nicht, was Hendrick‘s ist.“
Letztlich ist es das Ziel eines jeden Unternehmers, seine Marken weiterzuentwickeln. Sie sollen stärker werden, ihren Lebenszyklus verlängern. Das sei auch ein bisschen das Mantra von William Grant & Sons, als Familienunternehmen mit langer Tradition, so Kramer. Die jetzige Generation will der nächsten die Marken in einem besseren Zustand übergeben, als sie sie bekommen hat.
Neue Premium-Kollektion
Ein Projekt, das ebenfalls auf die schottische Herkunft verweist, ist die neue Whisky-Kollektion „House of Hazelwood“ – eine Auswahl rarerQualitäten, die der Privatsammlung der Eigentümerfamilie von William Grant & Sons entstammen und sagenhafte Reifezeiten von bis zu 58 Jahren vorweisen können. Jedes Jahr wird es einen Release mit vier bis acht Qualitäten geben. Der Softlaunch fand im Herbst 2023 im Whisky-Hotel Trompeterschlössle in der Schweiz statt. Und gerade ist die Huntsman-Kollektion herausgekommen, benannt nach dem berühmten Schneider aus der Savile Row in London, der auch für das Könighaus und den britischen Adel fertigt. Von dieser Kollektion gibt es weltweit 75 Flaschen – jede ausgestattet mit dem feinen Tuch des berühmten Geschäfts. „House of Hazelwood – das ist wirklich die Speerspitze von Luxury und Handcraft“, betont Kramer. Damit richtet sich William Grant & Sons an eine ganz bestimmte Klientel: leidenschaftliche Whisky-Sammler und solche, die etwas Besonderes im Blick haben. Mit einem Preis von derzeit rund 6.000 britischen Pfund pro Flasche ist es für Sammler möglich, von Beginn an dabei zu sein und eine vollständige Kollektion aufzubauen. „Mit welcher Marke ist das heute noch möglich? Mit Macallan oder The Balvenie sicherlich nicht“, weiß der 2015 zum Keeper of the Quaich ernannte Kramer.
Neue Marken im Portfolio: Discarded
Strategische Entscheidungen gehören zu seinen Aufgaben – langfristig planen, sich fragen, wo die Firma in fünf Jahren stehen soll, wie die Marken weiterentwickelt werden können, was das geeignete Portfolio für Deutschland ist. Im Zuge dieser Überlegungen fanden auch die Marken Silent Pool und Discarded ihren Eintritt in den deutschen Markt. Ersteres ist ein Ultra-Premium-Gin aus Surrey Hills in England, mit dem William Grant & Sons seine Gin-Kompetenz unterstreichen möchte. Letzteres stammt aus eigener Entwicklung und trägt zu mehr Nachhaltigkeit bei: Unter dem Namen Discarded (zu Deutsch: weggeworfen) wird Wermut, Rum und Wodka hergestellt – und zwar aus Zutaten, die normalerweise entsorgt werden. So entsteht der Wermut aus Cascara, der Frucht der Kaffeebeere, die nach Entnahme der Bohne übrigbleibt. Jährlich entsorgt die Kaffeeindustrie riesige Mengen dieses Rohstoffes. Für Discarded Rum kommt solcher Rum zum Einsatz, der ursprünglich nur zur Aromatisierung von Whisky-Fässern diente. Durch die Infusion mit Bananenschalen bekommt er zudem einen eigenen, fruchtigen Charakter. Für Discarded Wodka werden Schalen, Stiele und Kerne destilliert, die bei der Herstellung von Wein übrigbleiben.
„Sustainability ist ein weltweites Thema und wir haben das auf der Agenda. Gerade junge Konsumenten fragen immer stärker nach: Wo kommt das her? Was ist der CO2-Footprint? Das bedarf viel Arbeit. Mit Discarded leisten wir unseren Beitrag“, so Kramer.
Apropos Langfristigkeit: Mich interessiert, ob sein Job nun ein Job bis zur Rente ist, ob er beruflich angekommen ist. Wie immer, wenn man die „richtigen“ Fragen stellt, fangen die Augen von Markus Kramer an zu leuchten. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, das noch viele Jahre zu machen: Ich habe ein tolles Office, tolle Mitarbeiter und mache tolle Erfahrungen. Ich bin ja viel unterwegs. Und es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, auch international. Hinzu kommt das moderne Arbeiten – es ist ein Luxus, dass man heutzutage irgendwo sitzt und arbeitet und es sich gar nicht wie Arbeit anfühlt. Für mich braucht es keine Work Life Balance. Arbeiten und Leben, das geht bei mir Hand in Hand, ich empfinde das nicht als Stress. Und immer wieder kommen neue Projekte hinzu. Es wird nie langweilig, jeder Tag ist anders. Ich liebe das.“ Who needs more?

Bezugsquelle:
William Grant & Sons Deutschland GmbH
Gertigstraße 12-14, 22303 Hamburg
www.williamgrant.com