Das Familienunternehmen Waldemar Behn GmbH in Eckernförde
Geradlinig, boden- ständig, innovativ
In einer Zeit der trendgetriebenen Getränkebranche mit all ihrer Schnelllebigkeit ist es keine Selbstverständlichkeit, auf eine Familientradition in vier, beinahe schon fünf Generationen verweisen zu können. Norddeutsche Gelassenheit, kombiniert mit einem wachen Blick für aktuelle Entwicklungen kennzeichnen den unternehmerischen Esprit der Waldemar Behn GmbH seit mehr als 130 Jahren. Unser Autor Peter Eichhorn sprach mit Geschäftsführer Rüdiger Behn über sein Unternehmen und die aktuelle Getränkewelt.
Wir schreiben das Jahr 1892. Rudolf Diesel meldet sein Patent für eine Kraftmaschine an, in Atlanta wird die Coca-Cola-Company gegründet, Arthur Conan Doyle veröffentlicht erstmals seine „Abenteuer des Sherlock Holmes“ und Sankt Petersburg erlebt die Uraufführung von Tschaikowskis „Nussknacker“. Zeitgleich sind im Norden Deutschlands die Arbeiten an einem Kanal im Gange, der Nordsee und Ostsee miteinander verbinden soll. Damals unter dem Namen „Kaiser-Wilhelm-Kanal“, heute als Nord-Ostsee-Kanal bekannt. Der junge Waldemar Behn hat gerade seine Militärzeit beendet und erkennt die Gunst der Stunde. Die Arbeiter des Kanalbaus arbeiten hart und es gilt, ihren wohlschaffenden Durst zu stillen. Das übernimmt Waldemar Behn zunächst mit Bier und alkoholfreien Erfrischungsgetränken.
Ein Feigling im Küstennebel?
Das Portfolio der Waldemar Behn GmbH ist seit den Gründertagen stattlich angewachsen und einige der Spezialitäten, darunter Küstennebel, Kleiner Feigling, Andalö, Danska Vodka oder Wikinger Met und Wikinger Noorgard Gin, werden an den Tresen der Republik gerne konsumiert. Das Sortiment umfasst Produkte, deren Vertrieb die Behn GmbH durchführt, wie beispielsweise G’Vine Gin aus Frankreich, aber insbesondere auch Destillate aus der hauseigenen Produktentwicklung. Heute, in vierter Generation der Familie, verantwortet Rüdiger Behn die Geschicke des Unternehmens aus dem Ostseebad Eckernförde mit in der gesamten Gruppe mehr als 380 Mitarbeitern. Hier erblickte der 65-Jährige auch das Licht der Welt, um dann nach Banklehre und Studium im elterlichen Betrieb einzusteigen.
Die dynamische Start-up-Welle unserer Tage ist ihm nicht fremd. „Wir sind ein Unternehmen mit Gründer-Gen“, erläutert Rüdiger Behn. „Wir beobachten stets den Markt und schauen genau auf Trends und Entwicklungen. Wobei wir nicht jedem Trend hinterherhecheln. Es gilt nämlich auch, das Bestehende gut zu pflegen. So mancher Trend existiert nur kurz und ist dann wieder weg. Die Kunst besteht daraus, aus den Trends eine solide Marke zu formen.“ Behn schmunzelt, als er sich daran erinnert, wie ihm zuweilen von Produkten abgeraten wurde. Doch das Team des Familienunternehmens konnte nicht beirrt werden und so wurde beispielsweise „Küstennebel“ einer der größten Erfolge der Firma: „Küstennebel brachten wir 1985 auf den Markt. Viele winkten seinerzeit ab und meinten, so etwas wäre nur eine kurzzeitige Modeerscheinung. Doch siehe da, heute ist Küstennebel Deutschlands größte Anis-Spirituose. Ähnlich verhielt es sich mit „Kleiner Feigling“. Diese Marke entstand 1992 anlässlich unseres 100-jährigen Jubiläums. Und siehe da, auch das wurde eine solide Marke.“
Werte eines Familienunternehmens
Es kommt nicht von ungefähr, dass das Engagement von Rüdiger Behn weit über die eigene Firma hinausgeht. So wirkt er als Vize-Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“ und er war zwölf Jahre als Präsident des Marketing-Clubs Schleswig-Holstein tätig. Doch insbesondere im eigenen Hause schätzen die Mitarbeiter seine Art und alle wissen: Der Handschlag gilt. Immer! „Die Fluktuation bei uns ist gering. Viele Mitarbeiter halten uns dauerhaft die Treue. Der Zusammenhalt ist eng. Man kennt alle Mitarbeiter und so leben und arbeiten wir in der Atmosphäre einer großen Familie“, berichtet Behn. „Wir leben die Werte eines klassischen Familienunternehmens und machen uns nicht abhängig von kurzfristigen Quartalszahlen. Natürlich kann es auch mal blöde laufen, wenn uns Ereignisse, wie die Pandemie oder der Ukraine-Krieg treffen.“
Gelassenheit bleibt Bestandteil von Rüdiger Behns Charakter und unternehmerischen Handeln. „Auch wenn gerade viele junge Leute auch mal auf Alkohol verzichten, so wird es dennoch diesen Genuss immer geben. Jeder sagt sich zuweilen: Ich will mal drei Stunden Urlaub vom Alltag machen. Dann gehe ich zum Jahrmarkt, zur Party, zum Fasching. Und diese Haltung wird es auch in 15 bis 20 Jahren immer noch geben.“ Zunächst aber freut sich der Unternehmer darüber, dass bereits die fünfte Generation für das Familienunternehmen in den Startlöchern steht und genehmigt sich zum Feierabend gerne einen Radeberger Kräuterlikör. „Der Radeberger Kräuter stammt aus dem Jahr 1877 und ist somit das älteste Produkt in unserem Sortiment, zu dem es seit 2000 zählt. Die einzige unserer Marken, die älter ist, als das Unternehmen selbst“, schmunzelt Behn.
Innovation trifft Tradition
Der Blick in den Markt, schauen, was sich ringsum tut. Und dann wird ein Produkt daraus. Und dann wird ein Produkt daraus. Rüdiger Behn schildert als Beispiel, wie es zum Sanddorn-Likör Andalö kam: „Ich war damals an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Wer da nicht bei drei auf dem Baum ist, hat irgendetwas mit Sanddorn in der Hand. Zurück in Eckernförde beschäftigten mich die gewonnenen Eindrücke und es ergaben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Keines der Sanddornerzeugnisse hat wirklich gut geschmeckt. Und zweitens: Diese regionalen Produkte sind nur ein Einzelerzeugnis, sie genießen nicht das Vertrauen einer Marke. Daraufhin ging ich zu unserem langjährigen Destillaterumeister Thomas Hartges und sagte ihm: Mach doch mal was mit Sanddorn, was auch wirklich schmeckt. Genau das hat er dann getan. Das Rezept ist gelungen, Markenname und Ausstattung sind stimmig. Andalö war damals nicht auf Anhieb erfolgreich. Man muss eben auch warten können.“
Ähnlich verhielt es sich mit dem Dooley's Toffee Cream Liqueur. „Wir blickten seinerzeit zu unseren nahegelegenen Nachbarn im Norden, nach Dänemark. Dort fingen die Leute an, Karamellbonbons in Vodka aufzulösen. Wir sagten uns: da bekommen wir doch bestimmt etwas in diesem Stil hin. Nur eben in gut!“, erinnert sich Behn, der auch kritisch mit sich selbst und seinen Einschätzungen umgeht: „Auf den Gin-Zug sind wir relativ spät aufgesprungen. Wenn mich jemand vor 15 Jahren gefragt hätte, ob Gin eine große Nummer wird, dann hätte ich vermutlich gesagt: eher nicht. Und ich hätte mich geirrt. Nun freuen wir uns über den großen Zuspruch für G’Vine Gin und unseren Wikinger Noorgard Gin.“
Ein Prosit dem Morgen
Der unternehmerische Optimismus von Rüdiger Behn wirkt ansteckend. Und er lebt zu hundert Prozent seine Rolle als mittelständischer Unternehmer: „Start-ups und Craft stoßen rasch an Grenzen und bei den großen Konzernen kann mitunter Scheu vor dem Risiko beobachtet werden. Hier kommen eben wir ins Spiel. Wir dürfen mutig sein. Wir sind mittelgroß, eigentlich eher klein, familiengeführt. Wir legen nicht alle Eier in einen Korb. Wir versuchen, unsere Risiken zu streuen und machen uns demnach nicht von einer einzelnen Marke oder Zielgruppe abhängig. Und wir bleiben wachsam, beobachten das Geschehen und reagieren darauf. Eben wie das Sinnbild bei unserem Kleiner Feigling: Augen auf!“