Tradition und Innovation
Deutschland ist ein Land vielfältiger, flüssiger Genüsse
Mit Bier und Wein etablierte sich der gelagerte Genuss. Mit Bränden und Kräuterlikören erwuchs die Expertise um die Destillation. Heute ist der deutsche Markt ein globalisierter mit spirituellen Einflüssen aus aller Welt. Doch ebenso ist die heimische Innovationslust geweckt. Porträt über ein Land der Brenner und Denker.
Die deutsche Genusstradition – es mag überraschen – beruht auf vielerlei Einflüssen. Allein eine kleine Rückschau auf die deutsche Geschichte zeugt davon: So erwuchs auf deutschem Territorium im Jahr 800 Karl der Große zum Kaiser und begründete damit das Frankenreich. Seit dem 13. Jahrhundert kamen die spanisch-österreichischen Habsburger an die Macht und hielten viele Jahrhunderte das Land unter sich. Im Dreißigjährigen Krieg von 1618-1648 erwuchsen aber auch die französischen Könige zur mächtigen Instanz in Europa und bereiteten damit den Niedergang der herrschenden Habsburger. Zeitgleich verfiel das Land in Hunderte von Territorien. Nur wenig später erwuchs, ab 1701, Preußen zur gewichtigen Macht; und nur knapp 100 Jahre später trat der französische Kaiser Napoleon um die Herrschaft auf deutschen Boden auf. Diese Einflüsse sollte man sich merken. Denn in der Folge wurde zwar die jahrhundertelange Kleinstaaterei weitestgehend aufgelöst, doch ebenso das ehemalige „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“. Im Gegenzug bildeten sich die Königreiche Bayern, Württemberg und Sachsen heraus. Erst 1813 ordnet der „Wiener Kongress“ das zerklüftete Gebilde. 1871 wird im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Reich proklamiert. Im 20. Jahrhundert sollten noch einmal der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg sowie die anschließende Teilung in die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland für gehörige Umschwünge sorgen, bis es im Jahr 1990 zur Wiedervereinigung kam.
Die frühe Herkunft gelagerter Genüsse aus Deutschland und Italien
Was sich in unseren Gefilden vor diesem Hintergrund schon früh als einigendes Genussmittel etablierte, war die Kunst in der Herstellung von Bier. Bereits im frühen Mittelalter ist vom „besonderen Gerstensaft“ die Rede, der vor allem in den Klöstern produziert wurde. 1516 hört man erstmals von einem Reinheitsgebot aus Bayern, das die Herstellung von schlechtem Bier untersagen und fortan nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden sollte. Erfolgreich wurde auch der Anbau von Wein in unseren Gefilden. Dem römischen Kaiser Marcus Aurelius Probus schreibt man seine Kultivierung bei uns zu, als er den Weinbau im 3. Jahrhundert erlaubte. Später sollte der Wein als Weinbrand zur ersten destillierten Spirituose überhaupt erwachsen.
Ursprünge der destillierten Genüsse in Deutschland
Verbürgt für die Zeit des Mittelalters ist zudem die Erfindung der Destillation in Europa. Es war der veredelte Wein, der 1167 in Salerno, Süditalien, zunächst als magisches Allheilmittel erfunden, später als Genussmittel auch zu uns kam. Dem Regensburger Bischof Albertus Magnus (1193-1290) wird schließlich deren Fortentwicklung zugeschrieben mit der Erfindung der Brennblase, in der sich nach Erhitzung des Weins die alkoholischen Dämpfe sammeln. Wo in unseren Gefilden kein Wein zur Destillation als „Brandewyn“ zur Verfügung stand, griff man indes auf Früchte, Wurzeln, Knollen (Kartoffel!) oder Getreide als Grundstoff der Destillation zurück.
Unter anderem war es so das Korn, das im größeren Stil bei uns vor allem in der heutigen nördlichen Hälfte Deutschlands veredelt wurde. Vor allem bekannt wurden deren Brennereien um 1700, als Preußen noch eine junge Nation bildete und die Moderne in Europa Einzug hielt. Eine Wurzel des Kornbrands liegt in der 1664 erstmals in Kirchenarchiven urkundlich erwähnten Westfälischen Kornbrennerei Friedr. Schwarze im münsterländischen Westkirchen (NRW). 1990 erfolgt die Übernahme der Traditionsbrennerei H. W. Schlichte in Steinhagen (NRW) und die Übernahme ihrer Produktion und ihrer Marken zu Schwarze & Schlichte. Eine weitere Kornbrennerei ist die 1700 gegründete Gräflich von Hardenberg´sche Kornbrennerei in Nörten-Hardenberg (NI). Zudem kommt die 1707 erstmals urkundlich erwähnte Sasse Feinbrennerei im münsterländischen Schöppingen (NRW) sowie die Kornbrennerei I. B. Berentzen (J. B. Berentzen), welche 1758 von dem Ratsherrn Johann Bernhard Tobias Berentzen in Haselünne (NI) gegründet wurde. Kein Wunder, dass bei dieser Vielfalt im Jahr 1789 das erste Reinheitsgebot für Kornbrand in Nordhausen (TH), einer Hochburg des Kornbrands, erlassen wurde – der Kornbrand war über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt geworden.
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