The Classic American Bar

Vom Brett zur formvollendeten Bar

Sie schenken nicht einfach nur Drinks aus. Und für das Bier zum Fußball geht man besser in die Kneipe um die Ecke. Dafür pflegen sie eine eigene Kultur, mit Mixed Drinks und hochwertigen Spirituosen, aber auch mit einer zeitlosen Eleganz und guten Manieren. Sie ist damit die Königsdisziplin aller Tresen. Die Rede ist von der klassischen American Bar.

 

Die Geschichte der klassischen, amerikanischen Bar ist möglicherweise jene der Bar überhaupt. Und sie reicht weit zurück. Denn groß wurde sie in Amerika, wo sie mit der Eroberung des Kontinents in den Salons gen Westen eine erste Wiege fand, sich mit verschiedensten kulturellen Einflüssen aus dem alten Europa oder auch der Karibik vermischte und in den wachsenden Großstädten zu jener Institution erwuchs, wie wir sie heute kennen: als klassisches und zeitloses Etablissement, in welchem der Barmann traditionell im weißen Kittel dürstende Kehlen am Tresen versorgt und die Dame oder der Herr des Hauses für den persönlichen Stil einsteht. Frequentiert vom lokalen Establishment wie von Größen ihrer Zeit aus Politik, Kunst und Kultur, erwuchs sie so zur bodenständigen Trinkhalle wie zum ehrwürdigen Genusstempel – Hauptsache, dem Kodex der Bar wurde und wird Folge geleistet.

 

Die Szenerie der American Bar
Doch was zeichnet eigentlich die klassische American Bar aus? Ein erster Gedanke schweift zu dunklem, vertäfeltem Holz, Samt und Spiegeln im Mobiliar, die Musik säuselt gerade so laut, um in Gedanken abzuschweifen. Gäste sitzen, Casual gekleidet, am Tresen im Abendlicht, auf der anderen Seite der Barmann oder die Barfrau, in der traditionellsten Form bekleidet mit einem weißen oder beigen Kittel oder gar Tuxedo. Zwischen ihnen auf dem Brett, der zum Tresen erwuchs, wird der Drink entwickelt – entweder im Shaker gebaut und geschüttelt oder gleich gerührt. Jeder der ausgewählten, angebotenen Drinks auf der Karte ist nicht nur in der Rezeptur und Menge klar definiert, jedem Drink ist auch ein Glastypus zugeordnet, in dem er serviert wird. Die Regeln und die Etikette am Tresen kennen hier wenig Pardon, geht es doch um eine kontinuierliche und gleichbleibende Qualität. Natürlich ist dieses Sinnieren über diese Barform nur eine Variante der klassischen American Bar – denn ihre Formen können durchaus variieren. In Summe jedoch geht es jedoch immer um eine große Idee, die mit einem Brett begann, in große und kontinuierliche Klasse mündete und die Zeiten überdauert.

 

Ihr Ursprung in Saloons, Bars und Grand Hotels
Wer so über die klassische American Bar sinniert, dem klingt womöglich zuerst New York am Hudson River in den Ohren, ist sie doch jene Stadt, die schon immer als ein Archipel der Kultur um die Bar schlechthin galt. Denn hier formierte sich ihr Ursprung im Reigen der vielen eingewanderten Nationen, die „Neu-Amsterdam“ erst groß machten. Geprägt hingegen wurde sie nicht nur in der großen Metropole. Denn es fallen auch die Namen großer Adressen in Boston, Chicago, New Orleans, St. Louis, Los Angeles oder San Francisco – eben so weit, wie die einstige „Frontier“ die mutigen Siedler nach Westen trieb und den Whiskey in ihre durstigen Kehlen. Derart gibt es nicht wenige, die im Saloon des wilden Westens bereits den Vorläufer der amerikanischen Bar erkennen. Man muss nur einmal durch eine Reihe legendärer Westernfilme zappen, um deren Stellenwert zu erspüren – in einsamen Siedlungen, in welchen der Barmann oder die Hausdame das Hausrecht besaßen und der Revolver gefälligst im Halfter zu bleiben hatte.

 

So erfand der Saloon mit dem Brett als Barriere womöglich den Tresen in seiner Urform, woraus sich schließlich auch das Wort Bar ableitete. Derart blühte auch in der wachsenden Metropole des Big Apple die Welt der Bars als Ort der Zusammenkunft. Die Taverne Pete‘s Tavern (1864), der einstige Saloon P. J. Clarke (1884) und die Old Town Bar (1892), ursprünglich eine deutsche Institution namens „Viemeisters“, gelten als die Klassiker unter ihnen. Später folgte ab 1920 der Beginn der Prohibition, die Zeit des strengen Alkoholverbots. Und auch wenn es ein generelles Verbot gab, förderte sie doch umso mehr das Cocktailtum in verborgenen „Speak Easy“ Bars und geht als „goldenes Cocktailzeitalter“ in die Geschichtsbücher ein. Viele Rezepte typischer Mixed Drinks entstehen zu jener Zeit, die sich allesamt in den Handbüchern von damals wiederfinden, darunter Jerry Thomas „Bartender‘s Guide“ (1862) und Harry Johnson‘s „Bartenders Manual“ (1882). Diese legten gewissermaßen den Grundstein für die flüssige Basis der klassischen American Bar.

 

Im gleichen Zeitraum etablierten sich zudem die Bars der Grand Hotels, die teils noch heute als altehrwürdige Aushängeschilder den gesammelten Pomp ihrer Zeit widerspiegeln. Unter ihnen finden sich in New York etwa das Sir Harry's des Hotels The Waldorf Astoria, Geburtsort u. a. des Before Dinner Drinks Rob Roy, einem Manhattan mit Scotch Whisky, und des „Old Waldorf Astoria Bar Book“ (1934). Aber auch The Blue Bar im The Algonquin Hotel sorgte für Aufsehen mit dem „Algonquin Round Table“, einer losen Gruppe von Journalisten, Literaten und Schauspielern, zu der auch u. a. auch Dorothy Parker gehörte, die Dame des Feuiletons wie des Glamours in den 1920er Jahren schlechthin. Vor allem in den Hotelbars brachte man aber auch dem Barmann besonderes Ansehen entgegen, der in dieser gewachsenen Institution den trinkfreudigen Genuss in stärker geordnete Bahnen lenkte. Es mag derart nur ein weiteres Indiz sein, dass sich viele, viele Drinks später die Protagonisten der Prohibition in der „Anti-Saloon League“ zusammentaten.

 

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