Die neue Lust zur Lücke

Die Kultur des Aperitifs

Frankreich kann es. Spanien tut es. Die Schweiz auch. Und Italien sowieso. Die Rede ist vom Aperitif, Aperitivo oder Apéro, welcher irgendwann zwischen Mittagstief und Abend(b)rot genossen wird. Doch wie steht es eigentlich hierzulande um die Kultur des Aperitifs, und warum lohnt es sich, diese gerade heutzutage zu pflegen?

 

Warmes Licht fällt durch eisige Würfel. Erfrischende Flüssigkeiten durchdringen den erschöpften Geist. Klangvolle Stimmungen erheben sich zu einer beschwingten Melodie. Das Leben sickert langsam, aber sicher wieder zurück ins Bewusstsein – Das Leben. DAS Leben. – Dieses wundervolle, schnell verstreichende Geschenk, welches nur allzu oft durch Pflichten und Termine in Vergessenheit gerät, so dass der kostbare Moment von einem Gestern oder Morgen überschattet wird. Doch all dies darf jetzt in den Hintergrund treten. Denn der Aperitif ist ein kleiner Sieg über den Alltag. Er zelebriert ganz nonchalant und höchst ineffizient das Leben. DAS Leben, welches unser Dasein erst lohnens- und liebenswert macht.

 

„Der Aperitif ist wie ein Flirt. Der Tag ist noch da, der Ausgang des Abends völlig offen. Der Aperitif ist somit das Aufbrechen des Alltags fernab von Sorgen und Zeitplänen.“ Florian Pfeufer, Teil der vierköpfigen Dolce-Vita-Crew hinter dem Münchner Amaro „Mondino“, weiß um den Reiz der Lücke zwischen Arbeit und Häuslichkeit. Und wer einmal wagt, diese Lücke entstehen zu lassen, wird schnell erkennen, dass das Leben niemals freien Raum lässt, sondern diesen stets – höchst unvorhergesehen und zumeist überraschend – mit neuen Abenteuern, Begegnungen und Erfahrungen zu schließen vermag. Was Pfeufer als „Mini-Rebellion im Alltag“ bezeichnet, bewirkt auch beim Wiener Sensorik-Experten Reinhard Pohorec das gefühlte Aufknöpfen des oberen Hemdknopfs. „Warum man einen Aperitif trinkt? Einfach weil’s eh scho wurscht ist!“ Und genau diese augenzwinkernde „Wurschtigkeit“ erfordert doch ein wenig Mut – oder vielmehr – Lust zur Lücke.

 

Denn, ohne im Folgenden komplett in Pauschalitäten oder gar Banalitäten abrutschen zu wollen, kann man durchaus beobachten, dass genau diese ineffiziente Art des Genusses, diese geplante Ziellosigkeit so manchem Deutschen noch (!) partielles Unwohlsein bereiten kann. Schließlich ist es viel sinnvoller, nach der Arbeit direkt nach Hause zu gehen, um dann pünktlich um 20:15h die Füße hochzulegen. Und selbst, wenn man – beispielsweise an einem samstagssicheren Freitag – zu Abenteuern aufgelegt ist, begeht man diese… später! Nämlich erst, nachdem man vorausschauend für eine magenfüllende Grundlage gesorgt hat. Nicht umsonst öffnet in unseren Breitengraden auch ein Gros der Bars erst um 20 Uhr – eine Uhrzeit, welche angesichts unserer vergleichsweise frühen „Abendbrot“-Zeiten schon den Digestif tresenrelevant macht. „Die Deutschen zelebrieren den Aperitif nicht so wie die Menschen in mediterranen Ländern. Sie sind einfach konservativer und spießiger. In Ländern wie Frankreich und Italien ist der Aperitif eine obligate Verabredung. Hierzulande ist er dagegen vielfach an ein anschließendes Abendessen gebunden und erfüllt dadurch eine eher funktionale Aufgabe“, weiß der erfahrene Münchner Gastronom Andreas Till, der in seinen drei Bars beziehungsweise Restaurants natürlich schon am frühen Abend mit diversen Erfrischungen aufwartet.

 

Auch in Hamburg weiß man um die angespannte Stimmung, welche die abenteuerlustige Lücke des Aperitifs bei so manchem, hiesigen Gast hervorrufen kann. „Während Aperitif-Getränke wie Aperol Spritz oder Prosecco schon hektoliterweise in Deutschland getrunken werden, ist die Aperitivo-Kultur beim Import auf der Strecke geblieben. Das Feierabend-Bier wird bei den meisten noch immer in den eigenen vier Wänden geöffnet“, beschreibt die Barchefin des „STANDARD - Bar. Café. Aperitivo.“, Luca Aimee Kröger, das lückenlose Vorgehen in unseren Breitengraden. Aus diesem Grund habe sich das Standard auch zum Ziel gesetzt, „die Aperitivo Kultur der Italiener in Hamburg zu etablieren.“ Dass diese mediterrane Mission von Erfolg gekrönt ist, verwundert eigentlich nicht, denn schließlich ist man hierzulande stets strebsam bemüht, sich neuen Aufgaben zu stellen. „Ich habe schon früh das Potenzial der Aperitifkultur gesehen und intensiv daran gearbeitet – angefangen von den Räumlichkeiten und der Atmosphäre bis hin zu den Drinks. Wir sind hell eingerichtet, frische Blumen stehen auf den Tischen, und unser „Liquid Garden“, ein französisch gestalteter Innenhof, lädt zum Verweilen an der frischen Luft ein. All das macht unsere Bar zu einem attraktiven Platz, den man auch gern schon am frühen Abend aufsucht,“ so Volker Seibert, der mit seinem „SEIBERTS Classic Bar & Liquid Kitchen“ seit Mai 2014 dazu beiträgt, die Feierabendkultur in Köln auf ein neues Niveau
zu bringen.

 

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