The Flip
Wie ein Ei die Cocktailszene aufmischte
1988 eroberte ein klischeehafter Film, mit Tom Cruise in der Hauptrolle, die Kinos. “Cocktail” ist nicht nur ein Film über das Leben hinter der Bar, sondern auch eine Hommage an die Kunst des Bartendings. In mein Gedächtnis eingebrannt hat sich vor allem eine berühmte Szene: Doug Cohlan, der Besitzer der Bar, schlägt in einen typisch amerikanischen Pitcher neben Bier und Tomatensaft ein ganzes Ei. Ein Ei als Zutat? Für meinen damaligen Cocktail-Horizont undenkbar – und doch ist es elementarer Bestandteil eines Drinks, der so viel älter ist als der amerikanische Blockbuster. Die Rede ist von keinem Geringeren als: dem Flip.
Die überspitzt dargestellten Szenen des im Chaos untergehenden Personals lassen mich heute noch schmunzeln. Die Rezepte, die im Film verwendet werden, sind dagegen ungenießbar und bleiben eher aufgrund ihrer Namen, wie Ding-A-Ling, Velvet Hammer oder Death Spasm, in Erinnerung. In mein Gedächtnis eingebrannt hat sich vor allem eine berühmte Szene: Doug Cohlan, der Besitzer der Bar, schlägt in einen typisch amerikanischen Pitcher neben Bier und Tomatensaft ein ganzes Ei. Ein Ei als Zutat? Für meinen damaligen Cocktail-Horizont undenkbar – und doch ist es elementarer Bestandteil eines Drinks, der so viel älter ist als der amerikanische Blockbuster. Seine Geschichte geht zurück in das 17. Jahrhundert, bis an die Anfänge der Cocktails. Zum Glück gibt es immer wieder Barkeeper, die in alten Büchern schmökern – auf der Suche nach alten Rezepten, Zutaten und Techniken. So kam es Anfang des Jahrtausends zu einer Cocktail-Renaissance, die auch für die Zutat Ei wieder zu einer zentralen Rolle in der Cocktailszene führte.
Das Ei: vielseitige Zutat mit Geschichte
Der transformative Charakter des Eies und dessen einzelne Bestandteile führt nicht nur beim Backen und Kochen zu schmackhaften Ergebnissen, sondern auch an der Bar. Eiweiß hat eine wunderbare Eigenschaft: Es ist durchsichtig, glatt und besteht zu 90 Prozent aus Wasser sowie zu 10 Prozent aus Proteinen. Das Eigelb ist das Gegenteil. Neben Kalorien und Nährstoffen beinhaltet es konzentriertes Fett. Es sorgt im Cocktail für eine reichhaltige und vor allem kompakte Textur. Wird jedoch ein ganzes Ei, also Eiweiß und Eigelb benutzt, spielen beide Bestandteile in Kombination ihre jeweiligen Stärken aus. Einerseits schaumig und luftig, andererseits vollmundig und dicht. Repräsentativ für dieses Balancen-Spiel steht der Flip.
Als Eis noch nicht als Mittel der Wahl zur Kühlung von Cocktails verwendet wurde, griffen unsere Vorfahren auf eine andere Alternative zurück: Sie mischten aus den damals noch rustikal gebrannten Spirituosen, wie zum Beispiel Rum und verfügbaren Zutaten, wie Melasse, Bier und Ei, eine Mischung, die es in sich hatte. Erhitzt wurde das Gemisch anschließend durch einen sogenannten „Loggerhead“. Der Eisenstab an einem Holzgriff wurde üblicherweise zum Ausbrennen von Wunden, zum Entzünden von Kanonen oder zum Erhitzen von Pech verwendet, mit dem Schiffe damals abgedichtet wurden. Der Stab erhitzte sich in der Glut und wurde eingetaucht. Dadurch erwärmte sich das Getränk und karamellisierte. Die Reaktion ließ das Getränk “flippen”.
Vom warmen Getränk zur modernen Cocktail-Variante
Die Rezeptur des Flips bietet trotz seiner Einfachheit einen vollen, runden Geschmack und besticht durch seine außergewöhnliche Textur. Eine Spirituose, etwas Zucker und dazu ein ganzes Ei. Dabei ist es genau das Ei, welches dem Flip seine charakteristische, samtige Konsistenz verleiht. Im 19. Jahrhundert, als Cocktails in den Vereinigten Staaten zunehmend populärer wurden und Eis ganzjährig verfügbar war, begann man, den Flip kalt zu servieren. Die einfache, aber aromatische und texturreiche Mischung, die wir heute kennen, war geboren.
Unser Cocktail-Autor Pat Braun verwendet für den
Flip am liebsten den Bourbon von Evan Williams
The Bourbon Flip
Zutaten:
6 cl Evan Williams Bourbon
1 cl Zuckersirup
1 ganzes Ei
Glas: Coupette
Garnitur: frisch geriebener Muskat
Zubereitung: Alle Zutaten mit 1-2 Eiswürfel in einen Boston Shaker geben. So lange schütteln, bis kein Eis mehr zu hören ist. Doppelt absieben, anschließend garnieren.