The Chug Club, St. Pauli, Hamburg
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins

Ein Stadtviertel und seine jeweilige Szene spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg einer Bar, denn sie prägen das Publikum, die Atmosphäre und das Gesamterlebnis. Das Hamburger Stadtviertel St. Pauli ist bekannt für seine bunte Mischung aus Rotlichtambiente, kreativem, alternativem Flair und dem maritimen Charme des Hafens – eine Kombination, die im deutschsprachigen Raum ihresgleichen sucht.
Die Amüsiermeile Reeperbahn und ihre vielfältige Barszene ziehen ein experimentierfreudiges, teils sehr unterschiedliches Publikum an, das großen Wert auf ausgefallene, besondere Erlebnisse legt. Eine Bar, die ihre Umgebung versteht, sich in die lokale Szene integriert, aber auch den internationalen Besuchern öffnet, kann so ein unverwechselbares Markenzeichen entwickeln. Auf diesem Fundament machen wir uns auf den Weg in den Chug Club – mitten im pulsierenden Vergnügungsviertel St. Pauli in Hamburg.
Wer durch die Straßen und Gassen St. Paulis spaziert, kann sie noch spüren – jene Hafenromantik und das besondere Flair, das Hans Albers in seinen Liedern über diesen einzigartigen Teil der Stadt und ihre Menschen zum Ausdruck brachte. Der Puls St. Paulis schlägt im Rhythmus des Welthafens, der trotz aller Herausforderungen seine Bedeutung behauptet. An den Landungsbrücken und in der Speicherstadt tummeln sich nicht nur Touristen; auch Hamburger selbst lieben es, hier zu flanieren. Der einstige Umschlagplatz für Waren aus aller Welt und Ausgangspunkt unzähliger Passagierschiffe wird heute neu interpretiert. Kleine Designerläden, stilvolle Boutiquen, moderne Bars, charmante Cafés und innovative Restaurantkonzepte prägen nun das Bild. Auf der Elbe verkehren Barkassen für Hafenrundfahrten, Fähren transportieren täglich Pendler zum Airbus-Werk, und imposante Kreuzfahrtschiffe verleihen der Weltstadt internationales Flair. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich St. Pauli mit seiner Amüsiertradition zum führenden Vergnügungsviertel Hamburgs.
Die aufblühenden Subkulturen der 60er-Jahre zogen Künstler aus aller Welt magisch an – hier wagten selbst die Beatles ihre ersten Schritte in den Clubs der Reeperbahn. Die 70er-Jahre brachten jedoch einen schmerzlichen Einschnitt, als der Stadtteil hauptsächlich durch Bandenkriege und negative Schlagzeilen Aufmerksamkeit erregte, was zu einem deutlichen Niedergang führte. Es dauerte Jahre, bis die Hansestadt ihr Sorgenkind wiederbeleben konnte. Kultur und Unterhaltung kehrten in Form von Theatern und Musicals zurück in den Stadtteil. Die Gentrifizierung am Hamburger Berg und im Karolinenviertel hat nicht erst mit der Eröffnung der Elbphilharmonie begonnen. Im vergangenen Jahrzehnt wurden marode Gebäude, die einst niedrige Mieten und Pachten ermöglichten, durch moderne Glasbauten und elegante Lofts ersetzt. Den Wandel dieses einzigartigen Mikrokosmos zu beobachten, stimmt viele wehmütig – doch St. Pauli bleibt, was es immer war: ein Stadtteil im ständigen Wandel.
Das Entree
Wir steigen spät aus der Hamburger U-Bahn an der gleichnamigen Station St. Pauli hinauf und stehen am Anfang der Reeperbahn. Moderne, teils architektonisch lieblose Glaspaläste markieren den Auftakt des Reeper-Platzes, an dessen Ende die „Geile Meile“ beginnt. Schon hier fallen uns die mit Sperrholzplatten verbarrikadierten Geschäfte und Restaurants auf. Die verblassten Neonwerbungen und Beschriftungen zeugen von einer Vergangenheit, die durch das Internet zum Aufgeben gezwungen wurde. Vorbei am Spielbudenplatz, klafft eine riesige Baulücke – ein Zeichen für zukünftige Investitionen, die den Wandel des Viertels weiter vorantreiben werden. Wir biegen in die Taubenstrasse ein, an deren Ende sich der Chug Club wie eine klassische Eckkneipe in die Umgebung schmiegt.
Bewertung: 2,2
Das Ambiente
Der Chug Club gewährt vorbeigehenden Passanten keinen Einblick ins Innere: Folien mit stilisiertem Kirchenfenster schützen vor neugierigen Blicken; der Chug Club wirkt dadurch auf den ersten Blick etwas unscheinbar. Wir öffnen die Tür und stehen vor einem Schild mit der Botschaft zu warten. Freundlich kommt uns die Barkeeperin entgegen – wir haben freie Platzwahl. Außer einem Pärchen sind wir die einzigen Gäste. Wir schauen uns um: Die Bar hat die Grundform einer Eckkneipe und ist in einem schummrigen Rotlicht gehalten; links befindet sich die hölzerne Bar mit einigen Barhockern und einer Sitzbank am Fenster. Die Backbar ist ein Holzregal, das eine beeindruckende Auswahl an Agavenbränden bietet. Ergänzend finden sich einige Spirituosen namhafter Vertriebe. Über der Sitzbank entdecken wir Glassballons mit bereits vorgemixten Drinks und infundierten Spirituosen. Rechts in der Ecke gewährt eine geöffnete Schiebetür den Blick in einen kleinen hellen Vorbereitungsraum. Ein schmaler Gang wird als gesichertes Spirituosenregal genutzt - hinter dem Ladenrolladen stehen Raritäten aus ganz Mexico. Wer durch den Gang schreitet, erreicht die Garderobe und einen Stock tiefer die Toiletten. Agavenornamente zieren die Wand und lassen keine Zweifel aufkommen: Das hier ist ein Agaventempel!
Bewertung: 1,5
Barchef und Führung der Bar
Betty Kupsa ist eine charismatische Persönlichkeit, nicht nur auf St. Pauli. Ihr unverkennbares Markenzeichen: ein akkurater Bob-Haarschnitt, tätowierte Arme und markanter Lippenstift. Wer sie kennenlernt, ist von ihrer offenen und herzlichen Art sofort eingenommen. Die Quereinsteigerin aus Österreich stand jahrelang bei Joerg Meyer im Le Lion an der Bar. Dort lernte sie das Bartending von der Pike auf und verschrieb sich der Agave. Der Chug Club ist nun schon seit bald acht Jahren ihr „Ding“. Wenn sie hinter der Bar steht, weiß man nicht ob sie der Bar den Rahmen gibt oder die Bar ihr die Plattform. Sie verschmelzen ineinander und als Gast fühlt man sich als Mittelpunkt. Während unseres Besuchs war die Barchefin nicht vor Ort.
Bewertung: 3,0
Das Barteam
Das Barteam besteht am Tag unseres Besuchs aus zwei Bartendern, im Chug Club liebevoll Chuggern genannt: Lisa, eine junge Gastgeberin, die eigentlich Kostümdesignerin ist, ist an diesem Abend für die Bar und den Service verantwortlich. Alex, der ebenfalls erfahrener Barkeeper ist, fungiert als Barback. Er hält sich vorwiegend im Vorbereitungsraum auf, um dort weitere Pre-Mixe zu produzieren. Lisa ist freundlich und zuvorkommend: Sie bietet uns ihre Hilfe bei der Erkundung der Karte an und schenkt unser Wasserglas ohne Aufforderung regelmässig nach. Immer wieder nimmt sie sich Zeit für einen kurzen Smalltalk und beantwortet fachkundig unsere Fragen zu Spirituosen und einzelnen Bestandteilen. Den Großteil des Abends ist sie mit der Entwicklung neuer Rezepte beschäftigt und verkostet sowie diskutiert mit dem Barback über die Drinks.
Bewertung: 3,0
Die Barkarte
Die Cocktailkarte der Bar ist in einem hellen Goldton gehalten. Das Logo des Chug Clubs ist schwarz eingelassen und symbolisiert die zwei C‘s in Form einer Cocktailschale. Die Drinks werden teils inhaltlich ohne Markennennung beschrieben und zwischendurch auch zeichnerisch dargestellt: Sie bilden die Menge und die unterschiedlichen Bestandteile grafisch ab. Die meisten Cocktails werden im Chug Club mit Tequila und Mezcal hergestellt. Hier stehen die Eigenkreationen eindeutig im Vordergrund, während Klassiker auf Wunsch bestellt werden können. Die Cocktails werden außerdem sowohl in klassischer Grösse und Menge angeboten als auch in den namensgebenden kleinen Likörgläschen, den „Chugs“. Dabei ist „Chug!“ die umgangssprachliche, englische Aufforderung für „Trink!“. Die Karte beinhaltet ein Chug-Menü, das dreierlei Drinks anbietet. Das frühere, große Chug-Menü mit einem Zwibi (Zwischenbier) gibt es nicht mehr.
Bewertung: 1,5
Mixed Drinks
Die Mixed Drinks in The Chug Club werden ansprechend präsentiert. Mit stimmigen Garnierungen werden die Geschichten der Drinks transportiert und das gustatorische Erlebnis teilweise erweitert. Mit liebevollen Details ziehen die kleinen Chugs optisch die Aufmerksamkeit auf sich. In der geschmacklichen Komposition und Komplexität der Aromen überraschen die kleinen Drinks. Spätestens nach dem ersten Chug wird jedoch die in der Karte festgehaltene Aufforderung des „Exens“ ignoriert und wir trinken die Gläschen genüsslich. Die von uns bestellten Drinks waren vorwiegend Pre-Mix-Varianten. Geshaked
wurde nur sehr, sehr selten.
Bewertung: 2,5
Speisen und Snacks
Die Karte der Bar beinhaltet eine kleine Auswahl an Knabbereien. Sowohl Nachos, gesalzene Erdnüsse oder aber eine Schale Oliven sind im Angebot. Die Preise sind angemessen.
Bewertung: 1,0
Musik und Entertainment
Während unseres Besuchs spielt eine Indie-Playlist. Die Musik ist sehr leise und gibt dem Raum eine angenehme Ruhe.
Bewertung: 2,0
Service und Kommunikation
Der Service und die Kommunikation im Chug Club ist höflich und aufmerksam. Uns fällt dennoch auf, dass sich dies auf die Situationen beschränkt, in denen wir aktiv das Gespräch suchen. Lisa ist hilfsbereit und zuvorkommend, den Smalltalk empfinden wir als professionell. Eine proaktive Ansprache durch das Team fand trotz vorhandener Zeit jedoch nicht statt.
Bewertung: 2,0
Produktkenntnis und Beratung
Der Chug Club zählt zu den Agavenbotschaftern in Europa – entsprechend ist die Ausbildung der Mitarbeiter. Jeder, der unter der Regie von Betty Kupsa arbeitet, ist solide ausgebildet und kennt die produktspezifischen Details. Auch die Zusammensetzung der Drinks sowie die technischen Prozesse sind dem Team geläufig. Die Beratungen sind nie überheblich, sondern dem Bedürfnis der Gäste gerecht.
Bewertung: 3,0
Sauberkeit und Hygiene
Die Bar ist geordnet und aufgeräumt; die Arbeitsbereiche werden nach jedem Bon gereinigt. Wie bei voller Auslastung der Bar gearbeitet wird, können wir nicht beurteilen. Die Toiletten sind sauber. Während man sich normalerweise auf dem Kiez mehrfach überlegt, ob der Gang zur Toilette ein Rückblick in die Gründungszeit der Bundesrepublik ist, sind die Sanitäranlagen im Chug Club modern und ansprechend.
Bewertung: 1,0
Tastings und Aktionen
Mit der Lupita Margarita hat Betty Kupsa einen Pre-Mix entwickelt, der die Essenz der mexikanischen Barkultur mit der Agavenkompetenz einer der renommiertesten Barbetreiberinnen Deutschlands verbindet. Die Margarita basiert auf einem von ihr sorgfältig zusammengestellten Blend aus 100 Prozent Agave Tequila Blanco, der durch mexikanische Hibiskusblüten ergänzt wird. Dieser Pre-Mix eignet sich sowohl für den professionellen Barbereich als auch für den Genuss zu Hause. Das Etikett greift das für Mexiko typische «Calavera»-Skelett auf und wurde individuell im unverwechselbaren Stil von Betty Kupsa gestaltet. Regelmäßig finden Masterclasses statt, die sich mit der vielseitigen Welt von Tequila, Mezcal und der mexikanischen Trinkkultur beschäftigen. Gastschichten von befreundeten Barkeepern werden über die sozialen Medien kommuniziert.
Bewertung: 2,0
Social Media & Networking
Betty Kupsa ist eine prägende Persönlichkeit der deutschsprachigen Barszene. Sie engagiert sich intensiv für den Nachwuchs, moderiert Masterclasses auf dem BSC und BCB und fördert die Vernetzung von Barkeepern und Barbetreibern. Mit ihrer Vision zeigt sie, wie Miniatur-Drinks Gäste begeistern können, und setzt sich in Initiativen wie dem „DBU Business Round Table“ für die Stärkung der Branche ein. Zudem setzt sie sich politisch für Maßnahmen ein, die die Gastronomie stärken und die Zukunft der Bar-Gastronomie nachhaltig gestalten.
Bewertung: 2,0
Fazit
Der von außen unscheinbar wirkende Chug Club bietet seinen Gästen ein absolutes Erlebnis. Hinter der schlichten Fassade mit verdunkelten Kirchenfenster-Folien verbirgt sich eine Oase für Agaven-Liebhaber. Sie verdient ihren Ruf als Top-Bar in Deutschland, aber auch als Aushängeschild einer konzeptionell durchdachten Bar. Die Drinks sind durchdacht komponiert und perfekt ausbalanciert – die Leidenschaft des Hauses für Agavenbrände ist in jedem Detail spürbar.
Mystery BarCheck
The Chug Club | |||
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Testurteil: 1,5 Dies entspricht 3 von 3 Jiggern |
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Entree | 2,2 | ||
Ambiente | 1,5 | ||
Barteam | 3,0 | ||
Barkarte | 1,5 | ||
Mixed Drinks | 2,5 | ||
Speisen und Snacks | 1,0 | ||
Musik und Entertainment | 2,0 | ||
Service und Kommunikation | 2,0 | ||
Barchef und Führung der Bar | 3,0 | ||
Sauberkeit und Hygiene | 1,0 | ||
Tastings und Aktionen | 2,0 | ||
Social Media & Networking | 2,0 | ||
Preis und Leistung | 2,5 | ||
Adresse
The Chug Club
Taubenstraße 13, 20359 Hamburg, Germany