Karel Korner, Luzern, Schweiz

Um aus der Vielzahl der Bars herauszustechen, bedarf es entweder eines besonderen Konzepts, phänomenaler Drinks oder unverwechselbarer Charaktere, die in der Lage sind, eine besondere Atmosphäre zu kreieren. Hat es eine Bar auf eine der Top-Listen geschafft, ist sie Vorbild für die gesamte Branche. In unserer Serie stellen wir die besten Bars auf den Prüfstand – objektiv, konstruktiv und natürlich inkognito. Wenn dann der Ruf einer Bar über Ländergrenzen hinweg Barflies aus ganz Europa aufhorchen lässt, dann ist der Mystery-Check des DRINKS-Magazins Pflicht. Wir haben dem Karol Korner in Luzern, Schweiz, einen Besuch abgestattet.

Eingebettet in die malerische Landschaft der Schweiz liegt Luzern. Mit ihrer Geschichte, Kultur, beeindruckenden Architektur und köstlichen Küche zieht die Stadt Besucher schnell in ihren Bann. Im Mittelalter war sie bekannt als lebhafter Handelsplatz am Ufer des Vierwaldstättersees. Aus dieser Zeit stammt auch das vielleicht bekannteste Wahrzeichen Luzerns: die ikonische Kapellbrücke, eine gedeckte Holzbrücke, geschmückt mit historischen Szenen der Luzerner Geschichte. Erbaut im 14. Jahrhundert, gehört sie zu den ältesten Holzbrücken Europas. Sie führt über den Fluss Reuss, der vor der Kulisse der Schweizer Alpen wesentlich zum Charme Luzerns beiträgt. Ebenfalls ein Blickfang ist der Wasserturm, der in der Vergangenheit als Festung und Gefängnis diente. Heute genießen die Menschen hier die atemberaubende Aussicht auf die umliegende Landschaft. Auch die Kultur blüht in jeder Ecke der Stadt: von Weltklasse-Museen und Galerien bis hin zu einer lebendigen Musikszene. Das ganze Jahr über finden zahlreiche Festivals und Veranstaltungen statt, die von klassischer Musik bis hin zu zeitgenössischer Kunst reichen. Einer der größten Schätze Luzerns ist wohl aber die kulinarische Szene: von gemütlichen Cafés, die dampfende Tassen mit Schweizer Schokolade servieren, bis hin zu Michelin-Stern-Restaurants, die innovative Interpretationen der traditionellen Schweizer Küche anbieten. Geht dann die Sonne unter, erwacht die Stadt mit ihrer pulsierenden Barszene zum Leben. Wir sind eingetaucht – diesmal in die Luzerner Bar Karel Korner.

Das Entree

Die Bar liegt im Herzen der Neustadt. In den acht Jahren ihres Bestehens entwickelte sie sich zu einer der bekanntesten und einflussreichsten Bars im deutschsprachigen Raum. Die Bar ist bekannt für die konsequente Regionalität der Produkte und ihres Spirituosensortiments – auf Früchte aus Übersee wird verzichtet. Sie setzen auf handgemachte Zutaten, Vielseitigkeit und Kreativität. Damit steht das Karel Korner für Mixology, wie man es sich heute vorstellt. Ob fat-washed, geklärt, dehydriert oder infusioniert, die Cocktails der Bar sind hochgelobt und für viele Obstbrandfans eine Offenbarung. Es scheint ein vielsprechender Abend zu werden.

Beschwingt biegen wir in die Winkelriedstrasse ein und sehen schon von weitem am Eck eines Hauses aus der Jahrhundertwende das klassische Barschild. Doch etwas ist anders. Der Barname des Karel Korners ist durchgestrichen, stattdessen steht in roter Schrift «Finale» darüber. Wir sind verwundert und fragen nach. Der Grund ist ebenso einfach wie tragisch: Das Karel Korner wird schließen. Der Besitzer der Räumlichkeiten hat andere Pläne. Statt jedoch betrübt auf die letzte Schicht zu warten, hat sich die Bar für einen anderen Weg entschieden. Das Karel Korner erfindet sich noch einmal neu. Das Team verabschiedet sich mit einem großen Knall und geht auf Abschiedstour – unter neuem Namen, mit neuem, italienischem Konzept. Das Finale läuft bis April oder Mai 2025. Pläne, die Bar weiterzuführen, gibt es. Wo, wann, unter welchem Namen und mit welchem Konzept steht jedoch in den Sternen.

Bewertung: 1,5

Das Barteam

Neuer Name, neues Ambiente – mit eingespielter Crew. Für die letzten zwölf Monate ist Wladimir Reichert zurückgekehrt, Brand Ambassador für Fernet-Branca und Carpano. Gemeinsam mit Dean Erberli steht er auch während unseres Mystery-Checks hinter der Bar. Direkt beim Betreten gibt es ein grosses Hallo, die Begrüßung ist sehr herzlich. Wir nehmen an der Bar Platz. Man sieht direkt: Die beiden bilden ein routiniertes Team, denen die Bewegungsabläufe harmonisch von der Hand gehen. Unaufgefordert erhalten wir zwei Gläser und eine Flasche stilles Wasser. Beide sind erfahrene Barkeeper, die jedoch nicht Vollzeit hinter dem Tresen arbeiten. Dies tut dem Ganzen jedoch keinen Abbruch. Wladimir Reichert und Dean Erberli sind auf ganzer Linie Gastgeber.

Bewertung: 1,0

Das Ambiente

Das «Finale» hat eine überschaubare, gemütliche Größe. Es bietet etwa dreissig Sitzplätze und vier Plätze an der Bar. Am Eingang, direkt links im Fenster, ist ein kleiner DJ-Tisch aufgebaut. Direkt daneben gibt es einen langen Hochtisch, an dem Gäste schnell ins Gespräch kommen. In der gesamten Bar hängen einheitlich modern wirkende Industrielampen. Für das große Finale hat man dem ehemaligen Karel Korner zudem ein Facelift verpasst mit neuen Farben und italienischen Deko-Akzenten: Eine Wand ist mit Orangenpapier tapeziert und vermittelt so einen Hauch von Süden, Urlaub und Dolce Vita. In der Back-Bar fallen große Glasballons auf, aus denen regelmäßig die Premixe nachgezapft werden. So gibt es zwar Restbestände aus den Zeiten des Karol Korners, diese neigen sich jedoch dem Ende. Die Spirituosenauswahl ist auf die reduzierte Barkarte des «Finales» angepasst und bietet konsequent italienische Drinks und Biersorten. Die Bar ist von Sonntag bis Dienstag geschlossen. Mittwoch bis Samstag hat das ehemalige Karol Korner von 17.00 – 0.00 Uhr geöffnet.

Bewertung: 1,5

Die Barkarte

Genauso wie die Einrichtung der Bar wurde auch die Barkarte auf das neue Konzept abgestimmt: Auf der ersten Seite ist direkt «Aperitivo-Bar» und die Jahre «23-25» zu lesen. Ein Hinweis auf die limitierte Pop-Up-Bar «Finale». Passend zu Italien ist die Barkarte außerdem im schlichten Italo-Design der 90er-Jahre gehalten. Die Karte ist auf stabilem Papier gedruckt und auf drei Seiten reduziert. Farblich ist sie in Rot, Blau und Weiss gehalten. Zum Aperitivo bietet das «Finale» zwölf Cocktails an, zwei Biersorten und vier antialkoholische Getränke. Darüber hinaus gibt es zwei klassische, italienische Digestifs. Das Vorbild ist klar: die Aperitif-Kultur Mailands. Auf Wunsch mixt das Team des «Finales» auch weitere Cocktails.

Bewertung: 1,5

Mixed Drinks

Die Getränkekarte bietet eine Auswahl an vorwiegend italienisch inspirierten Cocktails und Interpretationen von Klassikern, wie etwa einen uminterpretierten Espresso Martini oder einen alkoholfreien Amaretto Sour. Ebenfalls auf der Barkarte zu finden sind die Cocktails Chiara Torino, ein Pre-Mix, geshaked, mit künstlicher Säure und frischer Minze oder der sogenannte Spritz Finale – eine Mischung aus Limoncello, Malfy Gin, künstlicher Säure und Franciacorta Prosecco. Auch die Interpretation eines Gimlets, aus Faude Feine Brände Blutorange aus Sizilien und Rubus mit Peychard Bitters, kann sich sehen lassen. Negroni bietet das «Finale» On-Tab mit einer hausgemachten Vermouth-Blend. Aus Mixology-Sicht sind die Drinks nicht mehr so aufwändig wie im Karel Korner. Sie sind einfacher, zugänglicher und weniger experimentierfreudig. Jedoch ist jeder Drink auf den Punkt raffiniert und mit viel Liebe zubereitet. Serviert wird in den hochwertigen, filigranen Gläsern der Marke Nude. Garnitur gibt es, wo notwendig, aber ohne viel Schnickschnack.

Bewertung: 1,5

Speisen und Snacks

Zu Essen werden zwei verschiedene Foccacia sowie frische, grüne Noccelara Oliven angeboten.

Bewertung: 2,0

Musik und Entertainment

Im Hintergrund läuft ein Mix aus Hip-Hop und R&B. Die Lautstärke der Musik ist angenehm – sie sorgt für lockere Atmosphäre und lässt Unterhaltungen ohne Probleme zu.

Bewertung: 1,5

Service und Kommunikation

Die Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit des Bar-Teams sticht heraus. Die Kommunikation während unseres Aufenthalts ist entspannt, unaufgeregt und außergewöhnlich aufmerksam. Die Gläser werden regelmäßig mit Wasser aufgefüllt und unsere Zufriedenheit mit den Drinks unaufdringlich nachgefragt. Da viele Bestandteile der Drinks bereits als Pre-Mix bereitstehen, sind die Wartezeiten kurz und Drinks werden zeitnah serviert. Unsere Fragen zu Obstbränden beantwortet das Bar-Team mit grosser Fachkompetenz. Über die Aperitivo-Karte hinaus wird auch unser Wunsch nach einem Obstbrand-Cocktail gerne erfüllt – gemixt aus den Spirituosen-Restbeständen des Karel Korners. Kulinarische Empfehlungen für Luzern und die Reservierung in einem Restaurant empfinden wir als äußerst zuvorkommend.

Bewertung: 1,0

Produktkenntnis und Beratung

Sowohl Wladimir Reichert, der hauptberuflich in der Kommunikationsagentur Hofmarschall in Zürich tätig ist, und Dean Erberli, selbstständiger Unternehmer, sind beide erfahrene Barkeeper mit Fachkenntnis und Leidenschaft. Arbeitsabläufe sitzen und sind zu jeder Zeit auf den Punkt. Sie bieten sofort Erklärungen zur Zusammensetzung der Pre-Mixe und kreieren gekonnt aus dem Stand kreative Eigeninterpretationen. Dass die Rahmenbedingungen der Gastronomie – heute mehr denn je – eine Vollzeitbeschäftigung von Menschen verhindert, die diese Tätigkeit mit Leib und Seele ausfüllen, bemerken wir als bedauernswert.

Bewertung: 1,0

Barchef und Führung der Bar

Barchefin des Karel Korners, beziehungsweise des «Finales», ist Judy Lauber. Sie lernte in der Hemingway Bar in Freiburg unter Boris Gröner, der dort mittlerweile das One Trick Pony leitet. Miteigentümer des Karel Korners ist Viktor Käser, von der Marketingagentur Hofmarschall aus
Zürich. Am Abend unseres Besuchs ist Wladimir Reichert verantwortlicher Barkeeper – er hat alles im Blick und ist zu jeder Zeit in der Interaktion mit Gast und Team. Als die Aushilfskraft ihre Schicht beginnt, gibt es unterstützende Hilfestellungen, Tipps und Tricks.

Bewertung: 1,0

Sauberkeit und Hygiene

Der Arbeitsplatz war während unseres Besuchs sauber, ordentlich und wurde regelmäßig gereinigt. Auch die Hygiene der Toiletten war anstandslos.

Bewertung: 2,0

Tastings und Aktionen

Die Bar bietet Master-Classes, Tastings und Schulungen an. Das «Finale» ist zudem auch buchbar für Veranstaltungen und Events zur Exklusivnutzung.

Bewertung: 2,0

Preis und Leistung

Die günstigsten Cocktails ohne Alkohol liegen bei 14 Franken. Aperitivi kosten 14 bis 17 Franken und Digestifs 5 Franken. Für Schweizer Verhältnisse bewerten wir das Preis-Leistungs-Verhältnis als normal und fair.

Bewertung: 1,5

Social Media & Networking

Das ehemalige Karel Korner ist im deutschsprachigen Raum sehr gut vernetzt – in der Bar in Luzern war bereits die gesamte Spitze der Barkeeper-Szene zu Gastschichten geladen. Auf Instagram hat das «Finale» 2.500 Follower. Seit der Ankündigung der Abschiedstour im Herbst letzten Jahres wurde auch die Internetpräsenz auf das italienische Konzept abgestimmt.

Bewertung: 2,0

Fazit

Wir verlassen die Bar nach einem fantastischen und sehr zeitweiligen Abend. Hat die Karte zwar nicht mehr die bekannte Komplexität, so ist die Handschrift des Karel Korners dennoch klar erkennbar. Trotz der vermeintlichen Schlichtheit ist jeder Aperitivo aufgrund der hauseigenen Blends charakteristisch und ausgefeilt. Zudem sorgt die Kompaktheit der Bar für zwanglose Kommunikation und Interaktion – durch die Stehtische kommen lockere Gespräche unter den Gästen zustande und sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Das Bar-Team strahlt Kompetenz und Begeisterung aus. Umso tragischer ist es, dass die Bar ihre Pforten schließt. Bis dahin vergeht jedoch noch ein Jahr – genug Zeit also für eine großartige Abschiedstour, das große Finale. Zudem bleibt die Hoffnung, dass es in anderer Form weitergeht. Wir wünschen es uns sehr. Denn nicht nur Luzern mit ihrem architektonischen Charme und grossartiger Kulinarik haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern vor allem die Herzlichkeit und pure Gastfreundschaft des «Finales», des ehemaligen Karel Korners.

Adresse

Karel Korner
Luzern, Schweiz