Hirschli, Baden

Die Schweiz ist ein Land der gastronomischen Hybriden. Clubs, die sich unter der Woche in ein Restaurant (Geroldchuchi) verwandeln wie das Hive, sind ein Beispiel. Die häufigste gastronomische Mischform dürfte jedoch jene zwischen Restaurant und Bar sein. Wobei sich die Konzepte stark voneinander unterscheiden, wie auch die Qualität bei der Umsetzung. Ein Betrieb, der es bezüglich Verschmelzung von Restaurant und Bar zur Meisterschaft gebracht hat, ist das Hirschli im aargauischen Baden. Selbst die meisten Gastrobetriebe in Grossstädten wie Zürich, Basel oder Bern können nur davon träumen, an einem ordinären Dienstagabend ausgebucht zu sein. Aber im Hirschli ist genau dies die Regel. Das hat seine Gründe.

Gegründet wurde das Hirschli vor 26 Jahren, also noch vor der Jahrtausendwende. Zwanzig Jahre lang lag der Betrieb in den fähigen Händen von André Stalder, der das Lokal zu einem der erfolgreichsten in der ganzen Region gemacht hat. Mehr noch: Der exzellente Ruf des Hirschli hat sich gar bis ins dreissig Minuten Autofahrt entfernte Zürich herumgesprochen. Vergangenes Jahr ist Stalder zurückgetreten und hat sein Hirschli einem Nachfolger übergeben. Und auch der hat sich seine Sporen längst verdient: Reto Zurflüh, der siebzehn Jahre lang die Bodega Bar in Baden unter seinen Fittichen hatte, steht nun als Kapitän auf der Brücke des Hirschli. Von ‘Argovia Today’ zu seiner neuen Aufgabe befragt, notierte er dem Medium diesen Satz ins Notizbuch: «Ich habe Bock aufs Hirschli»

Das Ambiente – Die Einrichtung

Das Thema ist ganz dem Namen entsprechend, was bereits im Eingangsbereich vom Kopf samt Geweih eines Zwölfenders (Eine Schätzung: Wir haben die Enden nicht durchgezählt) klargestellt wird. Das war’s dann aber auch schon mit Jagdunterstand-Flair, denn beim Hirschli handelt es sich um ein durch und durch urbanes Lokal, das mit jeder Menge Hingabe und stilsicherem Auge gestaltet wurde. Die enge Raumaufteilung (siehe nächste Überschrift) lässt nicht viel Raum, der mit Schnickschnack und zusammengetragenen Dekogegenständen gefüllt werden könnte, also hat man sich hier aufs Wesentliche fokussiert: Alles erfüllt einen Zweck und ist an seinem Platz. Trotzdem versprüht das Hirschli auch den Glanz des Gehobenen, denn billig war die Einrichtung des Lokals mit allerletzter Sicherheit nicht.

Bewertung: 6

Die Raumaufteilung

In dieser Rubrik stellen wir Ihnen üblicherweise Clubs vor und da diese ihrer Natur entsprechend über eine (oder mehrere) Tanzfläche verfügen sollten, ähneln sich ihre Raumaufteilungen meist. Zumindest existiert in diesem Bereich eine grosse Schnittmenge, die ihnen allen zu eigen ist. Dies lässt sich wohl auch über die meisten Bars und Restaurants sagen. Das Hirschli hingegen ist tatsächlich anders. Grosse Flächen in Form von Rechtecken mit ähnlich grosser Seitenlänge fehlen hier komplett. Das Lokal ist in diverse langgestreckte Räume aufgeteilt, die auf den ersten Blick gar eine gewisse Beengtheit aufkommen lassen, die aber durch eine beeindruckende Deckenhöhe im Barbereich, der sich gleich hinter dem Eingang befindet, abgeschwächt wird. Nach wenigen Sekunden revidiert sich der erste Eindruck aber und ein allfälliges Gefühl von Beengtheit verwandelt sich in Gemütlichkeit. Dem Architekten des Hirschli ist ein kleines Kunstwerk gelungen, das einerseits das Letzte aus der verfügbaren Fläche kratzt und das trotzdem
+viel Cozyness versprüht.

Bewertung: 6

Die Barkarte, mixed Drinks

Nun kommen wir zu einem der grossen Hirschli-Highlights und das ist das Bartending. Hinter dem Tresen steht, wie die Jahre zuvor unter André Stalder, Urs Müri. Und der ist nichts Geringeres als ein Meister seines Fachs, ein Barkeeper wie aus dem grossen Einmaleins des gehobenen Bartendings. Die Karte im Hirschli wechselt zweimal jährlich, und zwar vom Sommer- in den Wintermodus. Die liebevoll und in aller Kreativität gestaltete Karte bietet alles, was sich das Cocktail-Herz wünscht. Von Klassikern wie dem Negroni, dem Maple Sour, dem Mai Tai und dem Old Fashioned, bis hin zu Signature Drinks und Eigenkreationen wie dem Reto’s Choice (Sherry Cream, Vermouth Rosso, Orange Bitters), der wohl als Widmung an die süsse Seite des neuen Hirschli-Chefs verstanden werden will.

Bewertung: 6

Barteam

Urs Müri ist die Hirschli-Bar und die Hirschli-Bar ist Urs Müri. Zumindest hatten wir bei unseren bisherigen Besuchen diesen Eindruck. Wobei das natürlich auch an der schier unwiderstehlichen Ausstrahlung Müris liegen kann, der niemals schlechte Laune zu haben scheint und Gäste selbst nach Jahren wie alte Freunde begrüsst. Aber das Hirschli besteht ja nicht nur aus seiner Bar: Zurflüh hat einen grossen Teil der angestammten Belegschaft übernommen.

Bewertung: 5

Musik

Das Hirschli ist kein Club, ja nicht einmal eine Musikbar. Hier wird der kulinarischen Seite der Gastronomie gefrönt und nicht der musikalischen. Zumindest in der meisten Zeit des Jahres, denn dann und wann werden hier sehr wohl Partys gefeiert. Beispielsweise am einmal jährlich stattfindenden Hirschli-Fest mit Liveband. Dieser Anlass wendet sich primär an die Stammgäste des Lokals und vermag 300 bis 400 Gäste anzuziehen. Zudem wird (ebenfalls einmal jährlich) ein Daydance veranstaltet, samt Sets von hauptsächlich regionalen DJs. Zu guter Letzt sollen auch wieder regelmässig Partys am Samstagnachmittag oder -abend stattfinden, und zwar, wenn das Hirschli sein neues Soundsystem erhalten hat. Dies wird Sommer 2024 der Fall sein.

Bewertung: 4

Publikumsmix

Das Publikum des Hirschli ist bunt gemischt, tendenziell aber schon etwas älter. Das liegt natürlich an den Preisen des Lokals. Die sind zwar nicht zu hoch, entsprechen aber dem (qualitativ hochwertigen) Gebotenen. Und einen Cocktail für 16 Franken oder Sushi für 35 Franken pro Person muss man sich erst einmal leisten können, was nicht allzu viele 25-Jährige häufiger als ein-, zweimal im Monat tun können. Wobei man anmerken muss, dass die Preise im Vergleich zu Grossstädten moderat sind. Abseits davon generiert das Hirschli sein Publikum vornehmlich aus der Stadt Baden und deren Umgebung. Bisweilen reisen auch Gourmets aus Zürich an, um dem hervorragenden Ruf dieser Adresse Folge zu leisten. Selbstverständlich ist das nicht, verfügt Zürich doch auch selbst über ein tadelloses gastronomisches Angebot. Aber eben… Es gibt nur ein Hirschli.

Bewertung: 5

Preis und Leistung

Wie im Verlaufe dieses Beitrages bereits erwähnt, handelt es sich beim Hirschli um ein gastronomisches Unternehmen, bei dem der Fokus allem anderen voran auf Qualität liegt, versehen mit einem grossen Schuss Kreativität. Dies gilt für die Bar ebenso wie für das Restaurant. Dort wurde beispielsweise ein eigener Bereich für Gäste geschaffen, die Sushi essen möchten, abgetrennt von jenen, die sich lieber an europäischer Küche gütlich tun möchten. Die Cocktails sind von Meisterhand kreiert und gemixt und auch in der Küche stehen Profis, die ihr Handwerk zelebrieren. Kurzum: Im Hirschli kann man einen schönen Abend erleben, egal, wonach es einem gelüstet. Das kostet zwar etwas, aber nie zu viel. Die Preise sind moderat und dem Gebotenen durchaus angemessen.

Bewertung: 5

Fazit

Das Hirschli liegt leicht versteckt in der Nähe des Badener Bahnhofes.Alleine die kurze Seitengasse zum Lokal verspricht Gemütlichkeit und beim Betreten des Lokals dürfte jedem klar werden, dass hier ein Erlebnis auf einen wartet. Und die Erwartungen werden nicht enttäuscht: Das Hirschli ist ein Rundum-Gastronomiebetrieb, der tatsächlich für jeden Gusto das Passende bereithält. Sei es nun, man hat Lust auf Sushi, auf europäisches Essen oder einfach nur auf einen Cocktail. Von der Einrichtung, über das freundliche und professionelle Personal und bis hin zur liebevoll und mit Know-how zusammengestellten Barkarte stellt hier alles klar, dass hier ein Team Gastronomen am Werk ist, die ihr Handwerk verstehen. Und die ihre Profession auch als Passion interpretieren.

Adresse

Hirschli
Badstrasse 9,
5400 Baden
Schweiz